Mittwoch, 16. Januar 2008

Das große Banken-Bibbern: Räumkommandos in "Second Life" - ein Subsumtionsversuch

Aus Spaß wird schon wieder Ernst: Nach Casinos werden nun auch dubiose Banken aus der bunten Welt der Avatare verbannt - Linden Lab will nunmehr nur noch Finanzdienstleister in Second Life zulassen, die über eine Behördenerlaubnis in der realen Welt verfügen, wörtlich:
"a registration statement, charter, or other applicable license from a governing regulatory authority"
Ab 22. Januar beginnen dann entsprechende Säuberungen bei "ATMs" (Automated Teller Machine, also Geldautomaten):
Thus, as we did in the past with gambling, as of January 22, 2008 we will begin removing any virtual ATMs or other objects that facilitate the operation or facilitation of in-world “banking,” i.e., the offering of interest or a rate of return on L$ invested or deposited.
[Hervorhebung hier im Original, im weiteren von mir]

Das Verschwinden von angeblich 750.000 US-Dollar (so das Handelsblatt und der Standard) beim virtuellen Automatenbetreiber Ginko Financial gab den Ausschlag. Wechselstuben "in World" geben sich gelassen, denn Linden bezeichnet als "Bank" nur solche Unternehmen, die auch Zinsen vergeben.

Ein Ausflug ins Bankenrecht - was ist eigentlich eine "Bank"?

Zum gesetzlichen Leitbild gehört die Verzinsung nicht zwingend. Ein kurzer Ausflug in den mir allerdings unvertauten Dschungel des Bankenrechts:

Wer braucht die Erlaubnis?

Ausgehend vom SL-Kriterium der offiziellen Lizenz beginnt die Expedition bei § 32 KWG. Eine Erlaubnis benötigt danach,
"(w)er im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will".
Geldwechsel als E-Geld-Bankgeschäft?

Das erste Erfordernis kann unterstellt werden und schließt v.a Kleinanbieter aus. Ein "Bankgeschäft" ist nach § 1 Abs. I Nr. 11 KWG auch:
"die Ausgabe und die Verwaltung von elektronischem Geld (E-Geld-Geschäft)"
E-Geld ist gem. Absatz 14 der Norm
"Werteinheiten in Form einer Forderung gegen die ausgebende Stelle, die auf elektronischen Datenträgern gespeichert sind gegen Entgegennahme eines Geldbetrags ausgegeben werden und von Dritten als Zahlungsmittel angenommen werden, ohne gesetzliches Zahlungsmittel zu sein."
Linden-Dollar werden bei ATMs durch Überweisung, PayPal-Dienste oder Telefonanruf gekauft (Bsp.). Mithin entsteht eine "Forderung gegen die ausgebende Stelle" (den ATM-Betreiber). Die Linden-Dollar werden an den Avatar (und mithin den Accountinhaber) über den Second Life-Betreiber Linden ausgegeben und von Linden sowie diversen Unternehmern in Second Life ("Dritten") angenommen.
Hier ist wohl problematisch, ob diese Vorgehensweise als "Ausgabe und Verwaltung" i.S.d. § 1 Abs. I Nr. 11 KWG gelten kann. Der Zahlvorgang wird von Linden vollzogen, jedoch vom Betreiber des Geldautomaten veranlasst. Da jedoch nach Eingang der Überweisung der Automatenbetreiber die Verantwortung für die Auszahlung des virtuellen Geldes übernimmt, spricht alles dafür, diesen auch als Verwalter anzusehen (siehe dazu diese FAQ als Beispiel).

Linden-Dollar sind natürlich "kein gesetzliches Zahlungsmittel". Auch werden sie auf "elektronischen Datenträgern" gespeichert, denn dies umfasst Telefonkarten, aber auch den Server. Hintergrund bildet nämlich die E-Geld-Richtlinie 2000/46/EG. Dort heißt es im dritten Erwägungsgrund:
(3) Für die Zwecke dieser Richtlinie kann elektronisches Geld (E-Geld) als elektronischer Ersatz für Münzen und Banknoten betrachtet werden, das elektronisch, beispielsweise auf einer Chipkarte oder in einem Computer, gespeichert wird und das generell dafür gedacht ist, Kleinbetragszahlungen elektronisch durchzuführen.
Auch ein Evaluationsbericht für die Kommission (allerdings nicht das Arbeitspapier der Kommission selbst) nennt im Rahmen der Unterkategorie "server-basiertes E-Geld" online-gaming zu den typischen Anwendungsgebieten (S. 29):
In recent years, a number of server-based products have emerged and
found relative success in catering to different “niche” markets, including person-to-person internet transactions, online gaming, and as payment instruments for persons without access to bank accounts or credit cards, such as young people or immigrant communities.
Was könnte also passieren?

Betreiben Unternehmer ein Bankgeschäft ohne die erforderliche Erlaubnis, so sind die Folgen schmerzhaft: Die BaFin kann das Unternehmen abwickeln lassen, § 38 KWG:
Werden ohne die nach § 32 erforderliche Erlaubnis Bankgeschäfte betrieben oder Finanzdienstleistungen erbracht oder werden nach § 3 verbotene Geschäfte betrieben, kann die Bundesanstalt die sofortige Einstellung des Geschäftsbetriebs und die unverzügliche Abwicklung dieser Geschäfte gegenüber dem Unternehmen und den Mitgliedern seiner Organe anordnen.
Die BaFin ist wohl keineswegs blind auf dem E-Geld-Auge: 2003 untersagte sie dem Unternehmen "e-dinar" das Geschäft in Deutschland. Also Grund zur Panik? Nicht unbedingt: Selbst wenn nämlich eine SL-Wechselstube als "Bank" im Sinne des KWG gelten sollte, ist die BaFin nicht gezwungen, einzuschreiten, § 2 V KWG:
Die Bundesanstalt kann im Einzelfall im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank bestimmen, dass auf ein Unternehmen, das nur das E-Geld-Geschäft betreibt, die §§ 2c, 10 bis 18, 24, 32 bis 38, 45 und 46a bis 46c dieses Gesetzes insgesamt nicht anzuwenden sind, solange das Unternehmen wegen der Art oder des Umfangs der von ihm betriebenen Geschäfte insoweit nicht der Aufsicht bedarf.
...allerdings nur "im Einzelfall". Und eine dann noch erforderliche Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger ist derzeit nicht auffindbar.

SL-Geldautomaten illegal?

Sind SL-Wechselstuben nun illegal? Die Gefahr, die von sog. Netzgeld ausgeht, ist nicht unerheblich. So ermöglichen virtuelle Währungswechsel Geldwäschedelikte und Betrug - wie nicht zuletzt auch der ausschlaggebende Fall Ginko in Second Life illustriert (Klarstellung: Ginko bot absurd hohe Verzinsungen an und nicht lediglich den Währungstausch.). Es wird sich zeigen, ob die wirtschaftliche Bedeutung und die Zahl der Missbrauchsfälle irgendwann die Aufmerksamkeit der BaFin erregen werden. Die gesetzliche Handhabe für ein Einschreiten gegen Wechselstuben ist wohl gegeben. Für entsprechende Unternehmen und die virtuelle Welt bedeutet dies einiges an Rechtsunsicherheit.

Sie sind anderer Meinung? Nutzen Sie bitte die Kommentarfunktion!


Verweise:

Haftungsrechtliche Folgen für Second Life könnten sich ergeben, wenn rechtmäßige Unternehmenspräsenzen und deren virtuelle Güter gelöscht werden. Davon wird noch zu berichten sein.

Auch Roger Bloomfield (Technology Review) hält es für möglich, dass Missbrauchsfälle reale Regulierungsbehörden auf den Plan rufen - oder aber die virtuelle Welt sich selbst reguliert.

Siehe zur Präsenz von Banken in Second Life auch folgenden RR-Beitrag: "Banken in Second Life".

Auch Steuerrechtler sehen die Gefahren des "in-World"-Geldtransfers, auf RR: "Reale Steuern auf virtuelle Gewinne".

Ginko bietet die Kompensation in Anteilen auf der virtuellen Börse wselive an. Siehe dazu auch Artikelauf second-life-info.de.

Virtually Blind (Benjamin Duranske) berichtet über die "SL-Bank" - ein positives Beispiel bänkerischen Unternehmertums in der virtuellen Welt.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Sehr interessante Einschätzung. Hat eingentlich Linden Lab eine Bankenlinzenz? Schließlich sind sie ja die ausgebende Bank (mit der Lizenz zum Gelddrucken).

Hendrik Wieduwilt hat gesagt…

Diese Frage habe ich mir auch schon gestellt. M.E. benötigt Linden so etwas. Dabei dürfte es auch keine Rolle spielen, dass der Tausch nur in US-$ angeboten wird und die entsprechende Beschreibung auch für deutsche Account-Inhaber nur in Englisch erhältlich ist. Denn die deutschsprachigen Websites verweisen auf die englische Beschreibung. Damit könnte deutsches Bankenrecht anwendbar sein. (Dafür spricht auch schon das Vorgehen der BaFin gegen "e-dinar" aus Malaysia.)

Hendrik Wieduwilt hat gesagt…

P.S.: Linden braucht eine Erlaubnis in den USA, müsste die Tätigkeit in Deutschland bei BaFin und der Deutschen Bank anzeigen und eine Bestätigung der Anzeige bekommen - § 53a KWG. Voraussetzung ist, dass Lindens Tätigkeit eine "Repräsentanz" darstellt. Das ist umstritten, ich bin jedoch dafür - durch den deutschen Internetauftritt vermittelt Linden den Währungstausch. Das genügt nach einer Ansicht.