Eine namhafte Runde hatte sich zum virtuellen Virtual Law-Event dieser Tage eingefunden: Neben Robin Harper, der Vizepräsidentin der LindenLabs (aka Robin Linden) und dem Präsidenten der McArthur-Stiftung Jonathan F. Fanton sollte auch Jack Balkin, Yale Professor für Verfassungsrecht zur Diskussion beitragen. Das Thema:
"Träumen Avatare von Bürgerrechten?"
"Träumen Avatare von Bürgerrechten?"
Dafür hatte ich mich - bzw. meinen Avatar - extra schick gemacht. In einem Ballsaal war mir vor Kurzem ein Anzug angeboten worden und den trug ich nun nicht ohne Stolz. Für eine Rasur und ein Abpumpen jener Muskelberge, die ich mir beim ersten Trip ins Second Life etwas voreilig zugelegt hatte, blieb allerdings keine Zeit mehr: Während meiner Vorbereitungen streikte nämlich zunächst die Grafikkarte und dann der Internetzugang.
(Exkurs:) Wie bitte? "Den Avatar schick gemacht" für ein virtuelles Event? Eine Aussage mit rechtlicher Relevanz (leider die letzte ihrer Art in diesem Beitrag): Das Ansehen ist als Teil der persönlichen Ehre verfassungs- zivil- und strafrechtlich geschützt (allgemeines Persönlichkeitsrecht). In den USA gibt es bereits Arbeiten zum Thema der Avatar-Defamation, also der Beleidigung von Avataren. Doch erst in diesem Moment trat diese Gefahr auch in mein nichtakademisches Bewusstsein. Das Auftreten des Avatars ist - mit Einschränkungen - auch das Auftreten der ihn steuernden realen Person. Ich fühlte mich auf einmal sehr verwundbar, trotz aller Anonymität. Bei diesem Event wollte ich - wie auch in Realität - Verbindungen knüpfen. Und das erfordert Verbindlichkeit und ein wenig Ansehen auf den ersten Blick. Die "Fernbeleidigung" einer Person vor dem Bildschirm gibt es - bis jetzt jedoch nur als Stinkefinger, der in die Linsen von Überwachungskameras gehalten wird. (Exkursende)
Etwas zu spät ruckelte ich schließlich an der Rezeptionistin vorbei ins Zentrum einer futuristischen Salatschüssel, in der nach Art eines Amphitheaters Stühle für gut hundert Zuhörer eingebaut waren. Tatsächlich war es ziemlich voll. Außer Vogelgezwitscher und Tastaturgeklapper vernahm ich auch das gelegentliche Pupsen meiner Sitznachbarn. Keine Ahnung, wie man seinen Avatar zum Pupsen bringt. Doch ich hatte andere Probleme: Die Stimmen der der Redner (Voicechat!) hörte ich leider nicht. Ich nehme an, es lag an der Bandbreite. Eine Teilnehmerin aus Südafrika hatte ähnliche Probleme und stellte diese sogleich in einen globalisierungskritischen Zusammenhang - was leider die gehaltvollste Bemerkung blieb, die an diesem Abend zu mir vordrang. (Apropos Abend: Bei mir war es Abend, bei den Amerikanern jedoch mittag. Glücklicherweise ist in Second Life jeder Herr über den Sonnenstand, also habe ich später aus Solidarität auch "meine" Sonne an den Zenit geschickt.) Balkins Wortbeiträge bekam ich leider ebenfalls nicht mit.
Nach ein paar recht allgemeinen Erwägungen war plötzlich alles schon wieder vorbei. Man bedankte sich, chattete "Applause!" und flog auf die Terrasse zum informellen Austausch. Ich selbst fiel zunächst durch die Erde einen Abhang hinunter, flog in den Nachthimmel, verflog mich eine Weile und schlug erst nach einigen Anläufen etwas unvermittelt neben den anderen Teilnehmern in die Bepflanzung ein.
Nun machte sich Stehparty-Feeling breit - ich brauchte einen Gesprächspartner. Und da war er: Professor Balkin. Yale. YALE. Ich rannte los - und fand mich bis zum Haaransatz strampelnd im Beton des Bodens wieder. Klicken und "Fliegen" half nichts. Nicht nur ich wurde vom Boden verschluckt - auch andere Avatare versanken zeitweilig und chatteten um Hilfe. Treibsand ("Quicksand") beherrschte eine Weile die Gespräche. Wie kommt man raus? Rauszoomen, Kamera ausrichten und oben irgendwo "hinsetzen". Ach so. Balkin - war weg. Die Gelegenheit, mich in zwangloser Atmosphäre zwischen sprechenden Katzen und virtuellen Philanthropen dem Yale-Professor aufzudrängen - verpasst.
Nun machte sich Stehparty-Feeling breit - ich brauchte einen Gesprächspartner. Und da war er: Professor Balkin. Yale. YALE. Ich rannte los - und fand mich bis zum Haaransatz strampelnd im Beton des Bodens wieder. Klicken und "Fliegen" half nichts. Nicht nur ich wurde vom Boden verschluckt - auch andere Avatare versanken zeitweilig und chatteten um Hilfe. Treibsand ("Quicksand") beherrschte eine Weile die Gespräche. Wie kommt man raus? Rauszoomen, Kamera ausrichten und oben irgendwo "hinsetzen". Ach so. Balkin - war weg. Die Gelegenheit, mich in zwangloser Atmosphäre zwischen sprechenden Katzen und virtuellen Philanthropen dem Yale-Professor aufzudrängen - verpasst.
Sieht so also ein virtuelles Meeting aus? Frustration übermannte mich. Die Technik hatte sich zwischen mich und Yale gestellt. YALE! Was ist das für eine Welt, in der nicht einmal auf den Erdboden Verlass ist? Meine Freundin versuchte es mit Trost: Kannst du ihm nicht eine email schicken? Jaaa. Das geht natürlich auch.
Mir bescherte das Bodenlose dieses Abends dennoch einen erhabenen Moment: Durch den Untergrund im Auditorium gefallen, fand ich mich überraschend im verlassenen Warteraum der Redner wieder. Dort habe ich mich dann heimlich auf den Stuhl von "Robin Linden" gesetzt. Auf den Thron der Chefin. Ich dachte an Rache, für den misslungenen Abend. Aber ich wusste ja immernoch nicht, wie man pupst.
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