Mittwoch, 6. Februar 2008

Virtuelle Schwerter und der Erschöpfungsgrundsatz: Kann Blizzard das Traden verbieten?

Manche Götter virtueller Welten erlauben den Handel mit virtuellen Gegenständen, andere nicht - so auch Blizzard, der Betreiber von "World of Warcraft":

WoW-AGB:

3. C.: Sie stimmen zu, dass Sie unter keinen Umständen (...)
(v) Gold, Waffen, Rüstung oder andere virtuelle Gegenstände, die in World of Warcraft benutzt werden, außerhalb der World of Warcraft-Plattform für "echtes" Geld zu kaufen oder zu verkaufen oder zu tauschen;
Martin Boonk (Vrije Universiteit Amsterdam) und Arno R. Lodder (Centre for Electronic Dispute Resolution) haben dazu einen interessanten Gedanken aufgeworfen: Möglicherweise verbietet der Erschöpfungsgrundsatz (First Sale-Doctrine) den Betreibern, derlei Verbote aufzustellen (S. 8).
Dieser Grundsatz beschränkt das Verbreitungsrecht des Urhebers gem. § 17 UrhG. Der Urheber darf bestimmen, ob und wie sein Werk in den Verkehr gebracht wird. Ist der Gegenstand jedoch im Verkehr, ist dieses Recht "erschöpft". Grundgedanke der Erschöpfung ist die Sicherung der Verkehrsfähigkeit von Werkstücken.
Wenn der Ork O also vom WoW-Betreiber Blizzard ein Schwert bekommt, ist dieses Schwert im Verkehr und Blizzards rechtliche Kontrolle über seine Verbreitung endet (die Argumentation der Autoren verlief original anhand der EU-Richtlinie 2001/29/EG und wurde von mir in das deutsche UrhG übertragen).

Kommentar im Hinblick auf die deutsche Rechtslage:

1. Körperlichkeit des Schwertes

Der Erschöpfungsgrundsatz bezieht sich grundsätzlich nur auf körperliche Gegenstände. Dies wird insbesondere durch den neuen § 19a UrhG deutlich, der die "öffentliche Zugänglichmachung" von Werken im Internet umfasst und diese damit von der "Verbreitung" gem. § 17 UrhG abgrenzt. Damit könnte die Diskussion schon zu Ende sein - der Erschöpfungsgrundsatz umfasst das Schwert überhaupt nicht.

2. § 19a UrhG nicht anwendbar auf virtuelle Gegenstände?

Diese scharfe Abgrenzung des virtuellen Schwertes als Inhalt gem. § 19a UrhG von körperlichen Werken gem. § 17 UrhG ist eine Illusion. § 19a UrhG ist für den Fall des gefundenen/verkauften Schwertes wohl nicht anwendbar.
Ähnlich wie bei Push-Diensten kann der Nutzer (der Ork) das Schwert nicht zur "Zeit seiner Wahl" erhalten, sondern er findet es zu einem ihm meist unbekannten Zeitpunkt.
Zudem ist das Schwert nicht so flüchtig wie das über einen Onlinedienst gem. § 19a UrhG zugänglich gemachte Werk. Fringuelli, zit. nach Wandtke/Bullinger, § 19a, Rn. 12., schlägt die Unterscheidung zwischen asynchronem und synchronem Datenabruf vor: Asynchron sei ein Abruf, wenn die Daten beim Nutzer dergestalt perpetuiert werden, dass dieser sie immer wieder abrufen kann. Wenn ein Ork in WoW ein Schwert vom Betreiber Blizzard überlassen bekommt, besitzt er dieses Schwert, bis er es abgibt oder WoW verlässt. Damit ist eine gewisse Perpetuierung gegeben, die der Körperlichkeit eines Werkes im Sinne von § 17 UrhG möglicherweise näher kommt als den zugänglich gemachten Werken in § 19a UrhG.
Es muss allerdings zugestanden werden, dass die Daten selbst stets auf Servern des Betreibers liegen.
Unterstellt, §19a UrhG umfasst das Schwert mit der o.g. Argumentation nicht, so könnte eine Erschöpfung des Betreiberzugriffs gem. § 17 UrhG möglich bleiben.

3. Ist der Kauf eine Miete?

Der Erschöpfungsgrundsatz wirkt sich jedoch nicht auf eine Vermietung des "erschöpften" Gegenstandes aus. Ist der Verkauf eines Schwertes von Ork zu Ork einer "Vermietung" im Sinne § 17 III UrhG? Der Begriff ist hier deutlich enger als die Miete im BGB-Sinne:
Vermietung im Sinne der Vorschriften dieses Gesetzes ist die zeitlich begrenzte, unmittelbar oder mittelbar Erwerbszwecken dienende Gebrauchsüberlassung.
Das WoW-Schwert ist zeitlich begrenzt verfügbar, nämlich solange der Käufer einen Account bei WoW führt. Die Überlassung dient dem Erwerb, nämlich dem Gewinn des Verkäufers. Klingt einfach - selbst wenn also Erschöpfung eingetreten ist, darf das Schwert nicht weitergegeben werden.
Das einzig unbehagliche an dieser Sichtweise: Die zeitliche Begrenzung ergibt sich allein daraus, dass es WoW nicht ewig geben wird und nicht - wie im Normalfall - aus einer vertraglich vereinbarten Nutzungsdauer. Auch eine vermietete Videokassette hält nicht ewig - dennoch gilt § 17 III UrhG und der Urheber bestimmt auch nach dem "Verleih" über die Verbreitung.

Ein Einstieg in die Grundprinzipien des Erschöpfungsgrundsatzes ist geboten - und sprengt leider den Rahmen dieses Blogs.

Fazit:

...Fazit ist gelobhudelt: Ein endgültiges Ergebnis kann ich nicht vorweisen - es zeigt sich jedoch erneut, dass Virtuelle Welten das bestehende Recht vor ungeahnte Herausforderungen stellen. Ich schließe mich im Übrigen Boonk/Lodder an: Zwischen den Regulierungen im Spiel und den Regulierungen des realen Lebens kommt es zunehmend zu Spannungen.

Zum Thema Regulierung von Virtuellen Welten siehe: Bericht zum Vortrag von Mayer-Schönberger.

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