Donnerstag, 27. März 2008

"World of Botcraft" und die Spielverderber

Wenn sich in Online-Spielen wie World of Warcraft (WoW) der gegnerische Orc seltsam verhält, dann ist er vielleicht ein Roboter: Viele Spieler automatisieren ihre Spielfigur mit Hilfsprogrammen, damit diese schneller Spitzen-Niveaus erreichen. Seit 2006 klagt der Hersteller solcher „Cheat-Bots“ MDY Industries vor einem Gericht in Arizona auf Feststellung, dass er damit nicht das Urheberrecht des WoW-Herstellers Blizzard verletze (MDY Industries, LLC v. Blizzard Entertainment, Inc. et al). Blizzard verlangt wiederum Schadensersatz und Unterlassung.

Der folgende Beitrag stellt die Problematik anhand der verfügbaren Anträge und Gutachten der Streitparteien dar. Dazu wird zunächst dargestellt, wie sich die Verwendung von „Bot“-Hilfsprogrammen auf Spiel und Betreiber auswirkt. Dann folgt die rechtliche Einordnung: Blizzard argumentiert, dass Spieler, die Cheat-Bots verwenden, das Urheberrecht am Spiel selbst verletzen. Wer die zugehörigen Programme herstellt, würde bei diesem Verstoß helfen und sich folglich selbst rechtswidrig verhalten. Außerdem würden Schutzmechanismen umgangen. Dagegen ist MDY Industries der Auffassung, nicht sie als Hersteller, sondern allenfalls die Nutzer würden einen Rechtsverstoß begehen.

1. Problem: Störung der Spielbalance

Online-Spiele leben vom Zusammenspiel zum Teil tausender Menschen. Manchmal steht der Wettbewerb im Vordergrund, stets geht es jedoch um das gemeinsame Erleben von Abenteuern in einer Fantasy-Umgebung. Wenn jemand bei so einem Spiel maschinelle Hilfe in Anspruch nimmt, um schneller voranzukommen, ist er ein "Spielverderber" - so lässt sich zusammenfassen, was Blizzard und Vivendi dem Hersteller des Cheat-Bots, MDY Industries, vorwerfen. Der Cheatbot ist ein Programm, dass die Steuerung der Spielfigur übernimmt - während der Spieler sich ausruht, zur Schule geht oder arbeitet. Die Spielfigur streift währenddessen selbständig Tag und Nacht durch die virtuellen Landschaften, sammelt Gold und besiegt Monster. Während Spieler normalerweise ca. 480 Stunden spielen müssen, um Spitzenniveaus zu erreichen, gelangt der Cheat-Bot bereits nach knapp einem Monat ans Ziel. Dies geht aus einem Gutachten hervor, dass die WoW-Betreiber von Edward Castronova erstellen ließen, seines Zeichens Ökonom und Spezialist in Sachen virtuelle Welten an der Indiana University. Inzwischen sind dermaßen viele automatisierte Spieler unterwegs, dass das Spielerlebnis nachhaltig gestört wird - Castronova spricht von einer "World of Botcraft".

Solche "unsportlichen" Methoden sind in der Regel untersagt (4.B. der WoW-AGB). Dafür gibt es hauptsächlich zwei Gründe: Zum Einen stören die Eingriffe die Spielbalance - das virtuelle Doping vereitelt den fairen Wettkampf und führt zu Frustration bei den Spielern. Der Verlust von Abonnenten und Spiel-Reputation ist die Folge, außerdem müssen Betreiber kostenintensive Maßnahmen ergreifen, um gegen die Mogeleien vorzugehen. Blizzard berichtet von 465.000 Beschwerden. Zur Einordnung: WoW hat derzeit gut 10 Millionen Abonnenten (vgl. Pressemitteilung Blizzard vom 22. Januar 2008). Zum Anderen erreichen die Mogler schneller das Ziel des Spiels - und damit wird das Produkt auch für sie selbst langweilig. Da die Betreiber von WoW ihren Gewinn zu einem Großteil mit den monatlichen Gebühren erzielen, ist dieser Effekt unerwünscht. Im vorliegenden Streitfall beläuft sich Blizzards Schaden pro Mogler allein aufgrund des schnelleren Spiels angeblich auf ca. 105 US-Dollar.

2. Rechtliche Argumente

Es folgen die wesentlichen Argumente der Streitparteien, übertragen in deutsche Terminologie - Grundlage im Original ist jedoch das US-amerikanische Recht und insbesondere der Digital Millennium Copyrights-Act (DMCA).

a) Urheberrechtsverletzung

Blizzard erkennt in der Interaktion des Cheat-Bots mit WoW im Arbeitsspeicher (RAM) des Nutzers eine rechtswidrige Vervielfältigung. Spieler würden WoW mit dem speziellen Startprogramm des Cheat-Bots hoch fahren und so Schutzmaßnahmen rechtswidrig umgehen. Dadurch gelange nicht nur die gegebenenfalls rechtmäßig gekaufte Software von WoW in den Arbeitsspeicher, sondern sukzessive weitere geschützte Inhalte aus dem Internet, je tiefer der Avatar in die virtuelle Welt vordringt. Zum Teil würden dadurch Areale geladen, die nur aufgrund des ermogelten hohen "Levels" zugänglich sind.

b) Verantwortlichkeit des Herstellers

Nach Blizzards Auffassung sei der Hersteller der Bots für diese Urheberrechtsverletzung auch verantwortlich ("liable"), wenn er von dem Verstoß wusste und diesen begünstigte ("knowledge of the infringing activity and induce, cause, or materially contribute to the activity" - offenbar eine Stufe zwischen Störer und Gehilfe). Blizzard zitiert dazu einen Präzedenzfall, demzufolge ein Software-Hersteller dann als verantwortlich gilt, wenn das von ihm hergestellte Produkt nicht dazu dienen kann, substantiell oder in wirtschaftlich wesentlichem Maße ("substantial or commercially significant") rechtmäßig verwendet zu werden.

Schließlich, so Blizzard, sei der Hersteller auch deshalb verantwortlich, weil er jederzeit die Benutzung bereits verkaufter Bots unterbinden könne, indem er den zugehörigen Nutzungsschlüssel ("Product Key") sperrt.

c) Gegenargument: Nur Vertragsverletzung durch Spieler

MDY Industries hält dem entgegen, dass Blizzard letztlich nur Vertragsverletzungen durch die Spieler geltend machen könnte. Aber selbst wenn durch die Verwendung des Cheat-Bots der Vertrag zwischen Spieler und Blizzard verletzt würde, bedeute das keine Beeinträchtigung des Urheberrechts. Der DMCA bezwecke nicht die bessere Durchsetzung von Lizenzabkommen sondern den Schutz des Immaterialgüterrechts. Die unerlaubte Benutzung eines urheberrechtlich geschützten Werks sei für sich genommen nicht rechtswidrig.
Für eine Verletzung des Urheberrechts durch Umgehung der Schutzmechanismen sei erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang ("Nexus") bestünde zwischen der Überwindung und dem dadurch ermöglichten Nutzen der Software. Selbst wenn also Schutzmechanismen bei der Verwendung des Cheatbots umgangen würden, so würde der Nutzer doch nur dasselbe Spiel benutzen, für das er seine Gebühren entrichte.

d) Unrechtmäßige Einmischung in Verträge Dritter?

Außerdem stützen sich Blizzard und Vivendi auf die Rechtsfigur der "unrechtmäßigen Einmischung" (tortious interference). Damit ist die bösgläubige Einmischung in Vertragsverhältnisse Dritter gemeint. Das Schutzgut dieser Rechtsfigur ist offenbar dem unsrigen "Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" entfernt ähnlich. Die Voraussetzungen dieser Rechtsfigur liegen jedoch nach Ansicht der Gegenseite nicht vor: Erstens, Bösgläubigkeit ("improperly as to motive or means"), zweitens, vorsätzliche Einmischung durch Verursachung eines Vertragsbruchs ("intentionally interfered by causing a breach" und Drittens, ein Schaden ("damage"). Den Schaden beziffert Blizzard indes mit 2,5 Mio. US-Dollar allein aufgrund der erhöhten Verwaltungskosten sowie 10,5 Mio. US-Dollar aufgrund gekündigter Abonnements frustrierter Nutzer.

e) Wettbewerbsverstoß

Auch ein Wettbewerbsverstoß wird von MDY zurückgewiesen, vermutlich, weil es dafür bereits an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Spielebetreiber und dem Hersteller des Cheat-Bots fehlt.

3. Ausblick

Was können Betreiber, Spieler und Juristen von dem Ausgang dieses Verfahrens erwarten?

a) Wenn es zur Entscheidung kommt

Selbst wenn dieser "virtual law"-Fall nicht wie andere Fälle in einem Vergleich endet, so sollte seine unmittelbare Bedeutung nicht überschätzt werden. Wenn MDY gewinnt, bedeutet dies keinen Freibrief für die Nutzer der Bots - denn trotzdem stellt dies eine Vertragsverletzung durch die Nutzer dar und kann mit dem Rauswurf aus der virtuellen Welt geahndet werden. Wenn Blizzard und Vivendi gewinnen, wird die gewerbliche Herstellung des Cheatbots verboten - dennoch wird er oder ein ähnliches Modell weiterhin Verwendung finden.

b) Schummler vor Gericht - Tendenz zunehmend

Computerspielverderber beschäftigen die Gerichte zunehmend. Vor Kurzem hatte das AG-Köln zu entscheiden, ob der Ausschluss eines Profi-Computerspielers wegen Verwendung eines Cheat-Bots rechtmäßig war. Gegen eine Tauschbörse für durch Bots angehäuftes "Gold" ("goldfarming") wurde in den USA bereits eine Sammelklage eingereicht (Hernandez v. Internet Gaming Entertainment, Ltd et al) - um nur zwei Beispiele zu nennen. Neben dem Verwenden von Hilfsprogrammen ist auch das AGB-widrige "Anmieten" von Profi-Spielern beliebt ("Powerlevelling"). Der Schutz von Online-Rollenspielen (MMORPG) als abgeschlossene Ökosysteme der Unterhaltung vor Eingriffen durch "Cheater" stellt das Recht vor Herausforderungen, die offenbar nicht allein durch ausgeklügelte AGB bewältigt werden können.

c) Parallelen zur Forenhaftung

Der Versuch, anstelle des unmittelbaren Täters den Intermediär haftbar zu machen, ist aus der Diskussion um Forenbetreiber bekannt. Blizzard greift MDY mit dem Argument an, ihr Cheatbot sei nur für den Rechtsbruch durch die Nutzer geschaffen. Mit einem verblüffend ähnlichen Argument differenzierte jüngst das LG Düsseldorf, Urteil v. 23.01.2008 - Az.: 12 O 246/07 zwischen dem Webspace-Anbieter "rapidshare" und ebay: Zwar dürfe die Betreiberhaftung nicht das Geschäftsmodell einer Plattform (ebay) vernichten (vgl. BGH Urteil vom 11.03.2004 I ZR 304/01 - JurPC Web.-Dok. 265/2004 Abs. 46). Jedoch sei dies anders zu beurteilen, wenn die fragliche Plattform "nicht hauptsächlich für legale Aktivitäten genutzt wird". Nach ähnlichen Kriterien wird auch die Zulässigkeit von Manipulationen an Spielkonsolen beurteilt (vgl. dazu Arnold, MMR 2008, S. 144).

Links

Update 31.3.2008: Der Beitrag wurde ein wenig aufgehübscht und erschien zwischenzeitlich bei Telemedicus.

Erste Monografien zum Thema Recht und virtuelle Welten

Benjamin Duranske, Blogger und Gründer von Virtuallyblind.com, kündigte das Erscheinen eines Buchs zum Thema an ("Virtual Law - Navigating the Legal Landscape of Virtual Worlds"). Vorabbestellungen sind bereits möglich.
Auch Gregory Lastowka arbeitet an einem entsprechenden Werk. Ob hierzulande auch schon jemand tippt?

Die einzige mir bekannte deutsche, zwar nicht juristische, aber immerhin von Juristenhand herausgegebene Darstellung ist "Virtuelle Welten werden Real" (2007, Telepolis-Verlag) von RA Andreas Lober. Sie liest sich flott und beinhaltet interessante Hintergründe sowie ein Interview mit Richard Bartle, dem Begründer der ersten virtuellen Welt MUD-1.

Mittwoch, 19. März 2008

"Blog on a Prim" - Website-Einbindung in Second Life

2ndtravel hat in einem Video demonstriert, wie Web-Inhalte auf Second Life-Prims aussehen können.


(Nachtrag zu "Drin" - die Avatare bekommen Internet)


Via Primforge-Blog, SLTalk

Mercedes-Benz verlässt Second Life

Nach der Post zieht sich nun ein weiteres großes Unternehmen aus der virtuellen Welt "Second Life" zurück.
Die Meldungen haben denselben Tenor: Positive Bilanz, große Zukunft, vielen Dank - aber wir müssen leider, leider gehen. So verabschiede auch ich mich von richtig miesen Geselligkeiten.

Montag, 17. März 2008

Englischsprachige Literatur zum Thema virtuelle Welten und Recht

Nein, diesmal war ich es nicht. Es ist purer Zufall, dass kurz nach mir auch Greg Lastowka auf Terranova seine bibliografische Schatzkiste ausgeschüttet hat - nur, dass seine Sammlung ungleich beeindruckender daherkommt.

Rosedale, Eros, Revolution - Turbulenzen bei Second Life

Die "Bewohner" von Second Life hatten ein bewegtes Wochenende: SL-Gründer Philip Rosedale kündigte an, als CEO des Betreibers Linden Lab zurückzutreten. Das bekannte Copyright-Verfahren Eros ./. Catteneo endete mit einem Vergleich. Und schließlich wurde eine wichtige technische Neuerung verkündet: Von nun an können Websites in die virtuelle Umgebung eingebunden werden - das Web gelangt ins Metaversum, in die dreidimensionale Welt von Second Life.

Rosedale geht - der Aufschwung kommt?

Der Stil von Philip Rosedale wurde vielfach kritisiert. Ein Nachfolger ist zwar noch nicht bekannt, wohl aber seine Herausforderungen: Second Life soll leichter zu bedienen sein, das Unternehmen straffer organisiert. Zuletzt war das Wachstum der wohl bekanntesten virtuellen Welt stagniert.

Die ersehnte Entscheidung bleibt aus - erneut

Schon beim ersten Gerichtsverfahren, das Second Life zum Gegenstand hatte (Bragg ./. Linden), erwarteten Rechtswissenschaftler eine Entscheidung und damit auch die Klärung einiger Rechtsfragen. Auch dort endete der Streit im Vergleich. Im aktuellen Verfahren
ging es nun um die Vervielfältigung eines virtuellen Erotik-Gegenstandes ("SexGen") in der virtuellen Welt, wodurch der Produzent, Eros LL.C, sich geschädigt sah. Zunächst war nur der Täter-Avatar ("Catteneo"), nicht aber die ihn steuernde reale Person (Robert Leatherwood) bekannt gewesen (Eros ./. Leatherwood). Das Verfahren war daher als "erste Klage gegen einen Avatar" gefeiert worden. Letztlich handelte es sich jedoch um eine Klage gegen "Unbekannt" nach US-amerikanischem Zivilrecht.
Linden Lab billigt Nutzern von Second Life zwar das Copyright an den von ihnen erstellten Gegenständen zu und unterscheidet sich damit von anderen Betreibern virtueller Welten. Allerdings enthalten die AGB unter Punkt 3.2 eine Stillhalteklausel, die Nutzer wohl davon abhalten soll, Schutzrechtsverletzungen klageweise geltend zu machen. Ob diese Klausel bestand hat, ist sowohl hier als auch in den USA ungewiss - und bleibt es nun noch eine Weile länger.

"Drin" - die Avatare bekommen Internet

Eine technische Neuerung, die eine kleine Revolution einläuten könnte: Fortan genügt die Eingabe der Internet-Adresse, schon können Inhalte aus dem World Wide Web direkt in die virtuelle 3D-Umgebung integriert werden: Websites, MP3s oder ganze Videos erscheinen dann auf sogenannten Media-Texturen. Eine Textur ist das Oberflächenmuster eines virtuellen Gegenstandes. Wer an einem so gestalteten Gegenstand in der virtuellen Welt vorbeigeht, kann auf ihm zum Beispiel einen Film betrachten, oder hört die Lieblingsmusik des Anwohners.
Am Ende dieser Entwicklung soll die vollständige Einbindung des Internets in die dreidimensionale Umgebung von Second Life stehen. Noch sind die Websites allerdings statisch, eine Navigation ist nicht möglich.
Die Verwendung von Multimedia-Inhalten in Second Life ist nichts Neues. Neu ist, dass die Inhalte durch bloße Eingabe der Internetadresse dynamisch eingebunden werden. Virtuelle Welten haben damit einen neuen Problemkreis erschlossen: Wenn ein Künstler beispielsweise MP3-Dateien für den privaten Gebrauch bereithält, wird es ihn nicht begeistern, wenn ein Unternehmen die Musik in einer virtuellen Empfangshalle verwendet. Das gleiche gilt für die Übernahme von Nachrichteninhalten auf virtuellen Großleinwänden - Spiegel-Online als Publikumsmagnet in einem virtuellen Warenhaus?
Auch die Diskussion um Intermediärhaftung im Internet sowie Einordnungsprobleme zum Linking und Framing könnten neuen Schwung erhalten: Forenbetreibern und Videoportale stellen die Gerichte schon jetzt vor immer neue Herausforderung. Nun könnten sich Konstellationen mit noch längeren Vermittlungsketten ergeben: Der Second Life-Bewohner A sieht sich im virtuellen Gebäude des B ein jugendgefährdendes Video des Produzenten P an, das B mit der Web-Adresse des Videoportals V auf sein virtuelles Heimkino gebracht hat.

Links zu den Themen:

  • Reuters über Philip Rosedales Rücktritt
  • Sl-Inside zur Möglichkeit, Websites in Second Life darzustellen
  • Video-Tutorium zum Erstellen von Multimedia-Texturen
  • Virtually Blind mit Informationen und Links zum Thema Eros ./. Leatherwood
(zugleich veröffentlicht bei Telemedicus.info)

Freitag, 14. März 2008

Rosedale geht

Der CEO von Second Life-Betreiber Linden Lab Philip Rosedale räumt den Stuhl, berichtet Reuters, und hat sogleich Reaktionen im "who-is-who" der SL-Kommentatoren gesammelt.
Der noch nicht bekannte Nachfolger soll das Hauptproblem von Second Life beheben: Den unkomfortablen Umgang mit der virtuellen Welt, an den sich Neulinge nur mühsam gewöhnen. Außerdem soll die luftige Unternehmenskultur gestrafft werden.

Second Life ist neben World of Warcraft die bekannteste virtuelle Welt. Sie ist gekennzeichnet durch ein außerordentliches Maß an Gestaltbarkeit: Die Umgebung besteht nahezu ausschließlich aus User Generated Content.

Mittwoch, 12. März 2008

Deutsche Literatur zum Thema Virtuelle Welten und Recht

Umfasst sind ausschließlich deutschsprachige Beiträge aus der Rechtswissenschaft. Die Liste wird gelegentlich aktualisiert. Sollten Beiträge fehlen, bitte ich um eine kurze Mitteilung, gern als Kommentar oder email (s. Impressum).
Dasselbe gilt, falls jemand von juristischen Seminararbeiten zum Thema weiß. Eine entsprechende Sammlung wäre denkbar.

  • Büchner, Thomas, Die urheberrechtliche Schutzfähigkeit virtueller Güter. Anmerkung zum Urteil des LG Köln vom 21.4.2008 - 28 O 124/08, K&R 2008, 425-428.
  • Bürge, Stefan, Online-Gaming - Reale rechtliche Stolpersteine in virtuellen Welten, sic! 2006, 802 ff.
  • Geis, Ivo, Rechtsaspekte des virtuellen Lebens , CR 2007, 722 ff.
  • Habel, Oliver M., Eine Welt ist nicht genug - Virtuelle Welten im Rechtsleben , MMR 2008, 71 ff.
  • Hopf/Braml, Virtuelle Kinderpornografie vor dem Hintergrund des Online-Spiels Second Life, ZUM 2007, 354 ff.
  • Klickermann, Virtuelle Welten ohne Rechtsansprüche? , MMR 2007 , 766 ff.
  • Koch, Pamela, Die rechtliche Bewertung virtueller Gegenstände auf Online-Plattformen , JurPC Web-Dok. 57/2006
  • Krasemann, Henry, Onlinespielrecht - Spielwiese für Juristen , MMR 2006, 351 ff.
  • Lober/Karg, Unterlassungsansprüche wegen User Generated Content gegen Betreiber virtueller Welten und Online Spiele , CR 2007 , 647 ff.
  • Lober/Weber, Den Schöpfer verklagen - Haften Betreiber Welten ihren Nutzern für virtuelle Güter? , CR 2006 , 836 ff.
  • Lober/Weber, Money for Nothing? Der Handel mit virtuellen Gegenständen und Charakteren, MMR 2005 , 653 ff.
  • Nänni, Matthias, Der Vertrag über die Nutzung virtueller Welten, in: Jusletter 25. Februar 2008 (PDF)
  • Rippert/Weimer, Rechtsbeziehungen in der virtuellen Welt , ZUM 2007, 272 ff.,
  • Ritlewski, Kristoff M., Virtuelle Kinderpornografie in Second Life, KR 2008, 94 ff.
  • Schulz, Wolfgang, Second Life - Second Law: Gibt es ein richtiges Recht im falschen?, Betriebsberater 2007, (Editorial)
  • Trump/Wedemeyer, Zur rechtlichen Problematik des Handels mit Gegenständen aus Onlinecomputerspielen, K&R 2006, 397 ff.
  • Völzmann-Stickelbrock, Barbara, Schöne neue (zweite) Welt? Zum Handel mit virtuellen Gegenständen im Cyberspace, in: Festschrift für Ulrich Eisenhardt zum 70. Geburtstag, 2007, 327 ff.
  • Wemmer/Bodensiek, Virtueller Handel - Geld und Spiele , K&R 2004 , 432 ff.
  • Wieduwilt, Hendrik, Cheatbots in Onlinespielen - eine Urheberrechtsverletzung?, MMR 2008, 715-719. (Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion MultiMedia und Recht, Verlag C.H. Beck.)

Verrückt, was google alles kann!

Kürzlich gab Habel (Teclegal RAe) in der MMR einen nachgerade goldigen Hinweis auf den deutschen Fundus an Literatur zu Second Life etc. bzw. auch gleich einen brandheißen Tip, wie man diese auffinden möge, Zitat seiner zweiten Fußnote in der MMR 2008, S. 77:

Z.B. Suche über Google zu „virtuelle Welt“ und/oder „Second Life“.
Ob nun zu den "wissenschaftlichen Veröffentlichungen" (Habel) die Website Moove gehörte - Slogan: "umarmen, knuddeln, küssen" - oder aber der inzwischen fast ein Jahr alte Focus-Artikel, kann an dieser Stelle nicht ohne Kichern entschieden werden.

Damit das Googeln nach Literatur eines Tages doch noch funktioniert, folgt in Kürze eine Sammlung deutschsprachiger wissenschaftlicher Literatur zum Thema "virtuelle Welten und Recht".

Eine neue Welt für Kinderpornos?

Massively.com berichtet aktuell, dass der Avatar Lalinda Lovell eine eigene virtuelle Welt (litesim.com) plane. Der Name Lovell wird mit der Region "Wonderland" verbunden, jener Gegend in Second Life, in der Avatare in Kindsgestalt Sex simulierten ("Ageplay") und die damit vor etwa einem Jahr die Aufmerksamkeit von internationaler Medien und der deutschen Strafjustiz auf sich zog.

Reuters merkt dazu an, dass die AGB zwar Kinderpornografie ausdrücklich untersagten (was zutrifft). Allerdings würde ein virtuelles Werbeschild in Second Life für die neue Welt "Freiheit und Privatsphäre" versprechen.

Zwei Dinge sind hier erheblich beunruhigender als das Werbeschild:

1. Der Name tut nichts zur Sache

Anders als Linden verlangt Litesim keinerlei reale persönliche Daten bei der Registrierung. Der Account lässt sich allein durch Eingabe von Pseudonym, Emailadresse und Passwort kreieren - ein einziger Maskenball. Rechtsverfolgungen werden damit nahezu unmöglich gemacht. Eine Verbannung einzelner Avatare etwa auf Druck von Behörden würde nur dazu führen, dass sich Verbannte unter einem anderen Account binnen Minuten erneut anmeldet. Einzig die Sperrung seiner IP-Adresse könnte ihn mittelfristig fernhalten.

2. Rechtsordnungen der unbegrenzten Möglichkeiten?

Aufschlussreich sind zudem die Litesim.com-AGB. Sie beziehen sich nur auf US- und UK-Recht:

You must not:

  • Make use of the services in any manner which violates the laws of the United States of America or the United Kingdom
In den USA ist virtuelle Kinderpornografie wie "Ageplay" jedoch legal. Insoweit beruft man sich auf die Meinungsfreiheit. In Großbritannien scheint die Situation vergleichbar zu sein: Die Cybercrime-Convention wurde zwar ohne Vorbehalt angenommen. Allerdings enthält diese nur das Verbot von realistischen künstlich hergestellten Bildern, wovon bei Second Life (noch) nicht die Rede sein kann. Der Criminal Justice and Public Order Act von 1994 verbietet ebenfalls nur realistische Montagen. Soweit ersichtlich, hat sich hieran bis heute nichts geändert.

Die AGB von Litesim untersagen also Kinderpornografie - aber eben nicht Ageplay nach dem Verständnis der für die AGB maßgeblichen Rechtsordnungen.

In Deutschland kann "Ageplay" dagegen als Kinderpornografie strafbar sein.


Fazit:

Second Life-Betreiber Linden Lab "verbannte" Ageplay von Second Life - möglicherweise suchen sich Pädophile ein neues zweites Zuhause.

Montag, 10. März 2008

Deutschlandfunk über Clash of Realities

Der Deutschlandfunk berichtet über die Clash of Realities in Köln und kritisiert, dass die Konferenz nicht Schritt halte. Von Second Life sei schließlich nichts mehr übrig, man solle doch auch die Wii thematisieren.

Zum "Scheitern von Second Life"
Ich habe eher den Eindruck, der in Computer-Dingen eher behäbige Deutschlandfunk hat sich von der allgemeinen Hü-Hott-Presse einlullen lassen. Es ist nicht unbedingt der kommerziell erfolgreichste Daddelmat der Gegenwart für die Froschung interessant. Der DLF hatte sich das Scheitern von Second Life als Thema erhofft - dieser Wunsch geht jedoch bei der "Clash of Realities" an die falsche Adresse: Schließlich hat der Sponsor Electronic Arts Deutschland (EA) gerade mit "Virtualme" ein eigenes SL-Konzept ins Rennen geschickt und wird sich kaum ins eigene Fleisch schneiden lassen. Hier zeigt sich dann möglicherweise doch eine gewisse Anpassung der Themenwahl an EA-Bedürfnisse.

Das eigene Hobby erforschen
Der DLF nannte allerdings doch noch einen wichtigen Aspekt der Spieleforschung: Viele Wissenschaftler sind selbst bekennende Langzeitcomputerspieler. Das führt naturgemäß zu einer Wahrnehmungsverzerrung, sowohl hinsichtlich des Untersuchungsgegenstandes und seiner Wirkungen als auch der Relevanz dieses Forschungsgebietes. Es ist nicht immer einfach, sich den nüchternen Forscher-Blick zu erhalten.

Donnerstag, 6. März 2008

Hamburg baut erste deutsche Uni-Insel in Second Life

Die Universität Hamburg beginnt morgen als erste deutsche Hochschule mit dem Bau einer eigenen Insel in "Second Life". Auf der diesjährigen CeBIT sowie life in der virtuellen Umgebung feiern die Projektbeteiligten den virtuellen ersten Spatenstich, darunter Repräsentaten des SL-Betreibers Linden Lab, des interuniversitäten Campus Hamburg, der virtuellen Springer-Zeitschrift "AvaStar" sowie der durchführenden Medienagentur Büro X.


Foto: Xon Emoto / Büro X

Hamburg bewies schon vor einem Jahr Pioniergeist: Auf der CeBIT 2007 präsentierte man sich als erste deutsche Stadt in der virtuellen Welt. Seitdem wächst die Region "Hamburg Islands" in der virtuellen 3D-Welt.

Nach Information der Medienagentur Büro X sind beim kalifornischen Second Life-Betreiber Linden Lab bereits 4000 internationale Projekte aus dem Bereich Bildung und E-Learning angemeldet. Der interuniversitäre "Campus Hamburg" bietet zum Beispiel die dreidimensionale Installation eines Containerterminals für logistische Übungszwecke an. Ein anderes Projekt thematisiert virtuelles Eventmanagement. Seit Oktober 2007 wurden sechs Pflichtveranstaltungen für über 30 eingeschriebene Studierende abgehalten.

Zugleich kündigt auch die TÜV NORD AG an, ihre 3D-Webpräsenz auszubauen.

(Ort: CeBIT 2008 in Hannover, Norddeutscher Gemeinschaftsstand, Halle 14, Stand G26)

Foto: Xon Emoto / Büro X
  • Uni Hamburg über ihren Stand bei der CeBIT 2008 (PDF)
  • Programm und Lageplan der CeBIT 2008 bei Hamburg@Work (PDF)
  • Second Life-Link zum CeBIT Stand

Kommentar:


Die schönen Screenshots künden von einer berauschenden Zukunft. Sie wurden offenbar mit der neuen Darstellungssoftware (Windlight) aufgenommen. Mit dem normalen Viewer sieht Second Life leider nicht so brilliant aus. Man darf gespannt sein.

"Inseln" in der virtuellen Welt stehen für separate Server. Ihr Besitzer kann zum Beispiel andere Nutzer am Betreten hindern und verfügt damit über die Möglichkeit, ungestört Projekte durchzuführen. Den Ausschluss anderer könnte man mit dem für Internetforen anerkannten "virtuellen Hausrecht" in Verbindung bringen. Über dessen dogmatische Grundlagen und Reichweite wird noch gestritten. Es bleibt zu spekulieren, inwiefern die SL-Bewohner sich auch unter- und gegeneinander auf ein Hausrecht berufen können.

(Ein Bericht von der virtuellen Veranstaltung folgt - ich hoffe, dieser virtuelle Besuch wird erfolgreicher als mein letzter.)

Mittwoch, 5. März 2008

"Clash of Realities" in Köln gestartet

In Köln begann heute eine internationale Konferenz zum Thema Computerspiele. Medienpsychologen, Kulturwissenschaftler, Suchtexperten und Pädagogen sollen an drei Tagen den "Facettenreichtum des Forschungsgegenstands aufzeigen" und zu "Diskussionen anzuregen". Zu verschiedenen Bereichen wurden auch amerikanische Forscher eingeladen. Rechtswissenschaftliche Beiträge sind, soweit aus dem Programm ersichtlich, nicht vorgesehen. Gastgeber ist die FH Köln und Electronic Arts Deutschland, die Teilnahme ist kostenlos.


Kommentar

Die Spieleforschung ist eine wachsende Disziplin, die momentan verstärkt auch das Recht erreicht. Sie setzt der breiten Medien-Kritik an Computerspielen Versachlichung entgegen, was vor dem Hintergrung ahnungslos geführter Debatten um "Killerspiele" und "Scheinwelten" ausdrücklich zu begrüßen ist.
Dennoch sei der Hinweis erlaubt, unter wessen Tisch die eingeladenen Game-Forscher ihre Füße stellen: EA ist der derzeit größte Verleger und Entwickler von Computerspielen weltweit und produzierte Ego-Shooter wie zum Beispiel "Crysis" aber auch virtuelle Welten wie aktuell "VirtualMe". Gerade wenn es um schädliche Auswirkungen von Spielen geht, drängt sich ein gewisser Interessenkonflikt auf. Es bleibt den Spieleforschern daher zu wünschen, dass sie als ernstzunehmende und sachliche Forschungsdisziplin bald auf einen Game-Giganten als Steigbügelhalter verzichten können.

Montag, 3. März 2008

Wissen virtuell - Second Life als Umgebung für Vorlesungen und Konferenzen

Firmen entdecken Second Life als kostensparenden Ort für Meetings, berichtet die Financial Times Deutschland. IBM unterzeichne sogar Verträge virtuell. Laut Hanno Tietgens vom Hamburger "Büro X" habe die virtuelle Umgebung gegenüber reinen Videokonferenzen einige Vorteile. Themen könnten dreidimensional dargestellt und bearbeitet werden. So ermögliche die virtuelle Umgebung den Spaziergang durch ein Molekül.

Hanno Tietgens sorgt derzeit auch für die virtuelle Zukunft der Uni Hamburg: Dort wurde Second Life bereits für Vorlesungen genutzt - gehalten von einem Neuseeländer vom heimischen Rechner aus. Denn auch das macht die virtuelle Umgebung für Unis interessant: Internationale Referenten können kosten- und zeitsparend eingeladen werden. Nach prominenten Beispielen wie Harvard zeigen inzwischen etwa 15 deutsche Universitäten Aktivität in virtuellen Welten.

(erschien auch bei Telemedicus.info)