Die "Bewohner" von Second Life hatten ein bewegtes Wochenende: SL-Gründer Philip Rosedale kündigte an, als CEO des Betreibers Linden Lab zurückzutreten. Das bekannte Copyright-Verfahren Eros ./. Catteneo endete mit einem Vergleich. Und schließlich wurde eine wichtige technische Neuerung verkündet: Von nun an können Websites in die virtuelle Umgebung eingebunden werden - das Web gelangt ins Metaversum, in die dreidimensionale Welt von Second Life.
Rosedale geht - der Aufschwung kommt?
Der Stil von Philip Rosedale wurde vielfach kritisiert. Ein Nachfolger ist zwar noch nicht bekannt, wohl aber seine Herausforderungen: Second Life soll leichter zu bedienen sein, das Unternehmen straffer organisiert. Zuletzt war das Wachstum der wohl bekanntesten virtuellen Welt stagniert.
Die ersehnte Entscheidung bleibt aus - erneut
Schon beim ersten Gerichtsverfahren, das Second Life zum Gegenstand hatte (Bragg ./. Linden), erwarteten Rechtswissenschaftler eine Entscheidung und damit auch die Klärung einiger Rechtsfragen. Auch dort endete der Streit im Vergleich. Im aktuellen Verfahren ging es nun um die Vervielfältigung eines virtuellen Erotik-Gegenstandes ("SexGen") in der virtuellen Welt, wodurch der Produzent, Eros LL.C, sich geschädigt sah. Zunächst war nur der Täter-Avatar ("Catteneo"), nicht aber die ihn steuernde reale Person (Robert Leatherwood) bekannt gewesen (Eros ./. Leatherwood). Das Verfahren war daher als "erste Klage gegen einen Avatar" gefeiert worden. Letztlich handelte es sich jedoch um eine Klage gegen "Unbekannt" nach US-amerikanischem Zivilrecht.
Linden Lab billigt Nutzern von Second Life zwar das Copyright an den von ihnen erstellten Gegenständen zu und unterscheidet sich damit von anderen Betreibern virtueller Welten. Allerdings enthalten die AGB unter Punkt 3.2 eine Stillhalteklausel, die Nutzer wohl davon abhalten soll, Schutzrechtsverletzungen klageweise geltend zu machen. Ob diese Klausel bestand hat, ist sowohl hier als auch in den USA ungewiss - und bleibt es nun noch eine Weile länger.
"Drin" - die Avatare bekommen Internet
Eine technische Neuerung, die eine kleine Revolution einläuten könnte: Fortan genügt die Eingabe der Internet-Adresse, schon können Inhalte aus dem World Wide Web direkt in die virtuelle 3D-Umgebung integriert werden: Websites, MP3s oder ganze Videos erscheinen dann auf sogenannten Media-Texturen. Eine Textur ist das Oberflächenmuster eines virtuellen Gegenstandes. Wer an einem so gestalteten Gegenstand in der virtuellen Welt vorbeigeht, kann auf ihm zum Beispiel einen Film betrachten, oder hört die Lieblingsmusik des Anwohners. Am Ende dieser Entwicklung soll die vollständige Einbindung des Internets in die dreidimensionale Umgebung von Second Life stehen. Noch sind die Websites allerdings statisch, eine Navigation ist nicht möglich.
Die Verwendung von Multimedia-Inhalten in Second Life ist nichts Neues. Neu ist, dass die Inhalte durch bloße Eingabe der Internetadresse dynamisch eingebunden werden. Virtuelle Welten haben damit einen neuen Problemkreis erschlossen: Wenn ein Künstler beispielsweise MP3-Dateien für den privaten Gebrauch bereithält, wird es ihn nicht begeistern, wenn ein Unternehmen die Musik in einer virtuellen Empfangshalle verwendet. Das gleiche gilt für die Übernahme von Nachrichteninhalten auf virtuellen Großleinwänden - Spiegel-Online als Publikumsmagnet in einem virtuellen Warenhaus?
Auch die Diskussion um Intermediärhaftung im Internet sowie Einordnungsprobleme zum Linking und Framing könnten neuen Schwung erhalten: Forenbetreibern und Videoportale stellen die Gerichte schon jetzt vor immer neue Herausforderung. Nun könnten sich Konstellationen mit noch längeren Vermittlungsketten ergeben: Der Second Life-Bewohner A sieht sich im virtuellen Gebäude des B ein jugendgefährdendes Video des Produzenten P an, das B mit der Web-Adresse des Videoportals V auf sein virtuelles Heimkino gebracht hat.
Links zu den Themen:
- Reuters über Philip Rosedales Rücktritt
- Sl-Inside zur Möglichkeit, Websites in Second Life darzustellen
- Video-Tutorium zum Erstellen von Multimedia-Texturen
- Virtually Blind mit Informationen und Links zum Thema Eros ./. Leatherwood
2 Kommentare:
Danke fuer den (und auch alle anderen!) interessanten Artikel. Eine kleine Anmerkung zum Thema "Internet fuer Avatare": Das Abspielen von Musik und Videos "in-world" ist schon seit einigen Jahren moeglich, ebenso der Aufruf von Webseiten aus Scripten, wenn man nur auf den Seitentext zugreifen will.
Neu ist hingegen das Rendern von HTML-Seiten (also die grafische Darstellung wie in einem Browser), sowie das ebenfalls sehr praktische Anzeigen von externen (nicht kostenpflichtig nach SL hochgeladenen) Bildern auf einem Prim bzw. einer Mediatextur.
Gerade das Abspielen von Musik und Filmen auf meinem Heimat-Grundstueck ist ja ein rechtlich hochinteressantes Thema, weil ich kaum umhinkomme, meine Medien damit auch anderen zugaenglich zu machen... :-)
MfG,
Torrid Luna
Vielen Dank für den Hinweis! Dann ergäbe sich hinsichtlich der Urheberrechte an den Blog-Texten nichts Neues. Website-Gestaltungen selbst sind nicht zwangsläufig urheberrechtlich geschützt - wohl aber verwendete Bilder und Logos.
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