Sonntag, 20. Juli 2008

Bots in Second Life

Erneut gibt es Probleme mit computergesteuerten Avataren, sog. "Bots", diesmal in Second Life. "Traffic-Bots" werden offenbar benutzt, um Publikumsverkehr in bestimmten Gegenden vorzutäuschen. Damit ließen sich virtuelle Schrottimmobilien aufwerten und zu überhöhten Preisen verkaufen. Manche halten das für Betrug.

Gerade hatte ein amerikanisches Gericht die "Cheatbots" von World of Warcraft ins Visier genommen und deren Benutzung für urheberrechtswidrig erklärt, nun also Second Life. Doch auch dessen Nutzer hatten schon einmal Scherereien mit Bots: Der "Copybot" war im Grunde nur ein Programm, mit dem sich kopiergeschützte Gegenstände vervielfältigen ließen. Ursprünglich Werkzeug des Betreibers, wurde der Copybot jedoch zunehmend für die Anfertigung von Raubkopien wertvoller Items verwendet. Seine Verwendung ist inzwischen untersagt - was nichts daran ändert, dass er offenbar noch verwendet wird.
Die nun aufkommenden "Traffic-Bots" sind wohl eher mit den Cheatbots vergleichbar. Bessere Modelle simulieren wie diese - noch etwas unbeholfen - menschliches Verhalten, grüßen etwa Passanten und gaukeln so eine quirlige Umgebung vor. Manche Landbesitzer nutzen Bots offenbar, um die Preise ihrer virtuellen Grundstücke hochzutreiben. Man kauft eben lieber Los Angeles als die Wüste Gobi. Manche halten das für Betrug. Inzwischen wird Unmut auch gegen die Betreiber laut: Man solle wenigstens dafür sorgen, dass Bots auch als solche sofort zu erkennen sind, ihnen z.B. eine andere Farbe geben.

Betrug?

Land verkaufen, dass mit viel Traffic ausgewiesen wird, der aber auf einen Haufen Zombies zurückzuführen ist - könnte das Betrug sein? Die vorliegende Konstellation erinnert am ehesten an den sog. (abgewickelten) Eingehungsbetrug gem. § 263 StGB. Im Folgenden prüfe ich das ganze für einen hypothetischen Fall, in dem ich folgendes unterstelle: Der "Eigentümer" eines Grundstücks bei Linden hat dieses "verkauft". Der Preis basierte dabei auf dem Traffic, den der "Eigentümer" jedoch v.a. durch Bots verursachte. Ohne Bots wäre das Grundstück weitaus billiger gewesen. Es wird nur der Betrug untersucht, zivilrechtliche Schwierigkeiten ("Kauf"? "Eigentum"? "Spiel"?) werden ausgeklammert.

Juristen ignorieren in der Regel dessen verschwurbelte Formulierung und fordern für den objektiven Tatbestand vor allem zweierlei: Täuschung und Irrtum.
Täuschen, das heißt, auf das Vorstellungsbild eines anderen einwirken, so dass dieser einem Irrtum unterliegt. Einem Irrtum wiederum unterliegt derjenige, der sich Fehlvorstellungen über Tatsachen macht, also über solche Umstände und Vorgänge, die einem Beweis zugänglich sind.
Wenn jemand ein Angebot für Land abgibt und dieses Land erhebliche Trafficzahlen aufweist, erklärt er zumindest zweierlei: 1.) "Ich biete an" 2.) "Land mit soundsoviel Traffic."
Der Traffic auf einer Insel ist sicherlich dem Beweis zugänglich. Allerdings wird darüber nicht getäuscht, denn die Kennzahl für Traffic ist ja wirklich so hoch. Das liegt zwar nicht daran, dass dort so viele Besucher sind. Dies wäre aber nur relevant, wenn der Verkäufer noch etwas anderes erklärt: 3.) "Da sind wirklich viele Menschen unterwegs, nicht nur Bots."
Ob das so gesehen werden kann, ist nicht so leicht zu beantworten. Zumindest, wenn der Verkäufer vorher selbst ein Heer von Bots positioniert hätte - am besten noch versteckt über einer Zwischendecke in vielen hundert Metern Höhe - spräche jedoch einiges dafür (vgl. dieses Video).
Um auch die beiden weiteren Voraussetzungen kurz zu erwähnen: Mit dem Vertragsschluss hat der Käufer ggf. bereits über sein Vermögen verfügt, nämlich eine Verbindlichkeit begründet. Der Vermögensschaden ergibt sich dann aus dem negativen Saldo zwischen objektivem und Wert des Grundstücks und dem Angebot.

Gewährleistungsrechte

Abgesehen von der strafrechtlichen Frage könnten sich (vorbehaltlich genannter Schwierigkeiten) für den Käufer Gewährleistungsrechte ergeben. Das "Grundstück" müsste dazu mangelhaft sein, also in seiner Beschaffenheit negativ abweichen.

Urheberrechte

Die Nutzung von World of Warcraft mithilfe eines Cheatbots verstößt gegen das Copyright des Betreibers - so entschied das Bezirksgericht in Arizona jüngst. Gilt das auch hier? Dazu müsste Linden deren Benutzung zumindest untersagt haben.

Weiterführende Infos:

Es gibt übrigens weitere Botformen: Der AjaxLiveBot übernimmt den Avatar des Nutzers, Befehle können über eine HTML-Site eingegeben werden - so muss man das bisweilen ruckelige Second Life gar nicht mehr starten und ist trotzdem anwesend. Dann gibt es offenbar "Landkauf"-Bots, die sehr schnell billiges Land aufkaufen. Das dürfte die Stellvertretungsregeln des BGB gehörig herausfordern. Schließlich gibt es Bots, die Hügel einebnen usw. usf..
Sehr interessant ist auch folgender Fall: Bots halten sich an Orten auf und werden - wie Menschen - dafür in Lindendollar bezahlt. Auch daran knüpfen sich interessante juristische Fragen (Stichwort: Spenden- /Bettelbetrug).

Mehr Informationen gibt es in einem ausführlichen Interview mit Torrid Luna (Primforge) auf SecondTravel. Torrid Luna veranstaltet sog. Botspotting-Wettbewerbe, in denen das Botunwesen per Video/Screenshot dokumentiert werden soll. Ihr (bzw. ihrem steuernden Menschen) verdanke ich im Übrigen wertvolle Hinweise für diesen Text.

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