Die virtuelle Welt „Second Life“ ist ein bisschen aus dem Blick der Medien geraten. Nur sporadisch wird noch darauf aufmerksam gemacht, die 3D-Umgebung sei keineswegs untergegangen. Doch nun taucht die totgesagte Welt an amtlicher Stelle wieder auf, nämlich in der Begründung zum neuen Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz. Nach einem beherzten Zugriff der Finanzaufsicht auf virtuelle Geldströme sieht es allerdings nicht aus.
„Lindendollar”, „Gold” und sonstige virtuelle Währungen haben gemein, dass sie für den Besitzer einen echten Wert darstellen – sei es, dass das Zahlungsmittel in echte Währungen umgemünzt werden darf („Lindendollar”) oder sich zumindest de facto auf Tauschbörsen versilbern lassen. Eine hessische Lehrerin soll auf diese Weise in Second Life echte Millionen Euro verdient haben. In vielen Ländern machte sich der Fiskus Gedanken, ob und wann er auf das Geld zugreifen könnte. Experten warnten in der Blütezeit der virtuellen Welten, die dort üblichen Zahlungssysteme könnten der Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche dienen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat sich bislang kaum um virtuelle Währungen gekümmert. Ob das neue Gesetz, das ab 31. Oktober gilt, daran etwas ändern wird, ist unklar, wie der Spielerechtler Andreas Lober und der Kapitalmarktrechtler Thorsten Voß von der Frankfurter Kanzlei Schulte/Riesenkampff auf Heise.deberichten.
Die virtuelle Geldbörse als Zahlungskonto?
Das Gesetz, mit dem die Harmonisierung des europäischen Zahlungsverkehrs vorangetrieben werden soll (
Richtlinie 2007/64/EG, ABl. L 319/1), regelt, wann Anbieter von „Zahlungsdiensten“ eine Erlaubnis der Bafin benötigen. Lober/Voß werfen die Frage auf, ob etwa bereits eine virtuelle Geldbörse als Zahlungskonto im Sinne des Gesetzes gelten kann und daher deren Anbieter der Finanzaufsicht unterworfen wäre. Ob Geschäfte mit virtuellen Währungen wie dem „Lindendollar“ aus „Second Life“ der Bankenaufsicht unterfallen, behandelt die Richtlinie selbst nicht ausdrücklich. Doch in der Begründung zum Umsetzungsgesetz (
Drucksache 16/11613) wird „Second Life” explizit genannt: Kein Zahlungsdienst sei demnach die
„Übermittlung von 'privaten Währungen', alternativen, auf der Basis von privatrechtlichen Vereinbarungen geschaffenen Rechnungseinheiten (…), mit denen Leistungen in virtuellen Computerwelten wie „Second Life“ vergütet werden.“
Allerdings gibt es eine Einschränkung: Demnach handelt es sich doch um einen Zahlungsdienst, wenn am Anfang oder Ende der Übermittlung die Rechnungseinheiten (also etwa: „Lindendollars”) in Euro umgetauscht werden. Eine Entwarnung ist das nicht: Virtuelle Währungen werden oft durch reale Währung begründet oder sind zumindest in solche umtauschbar. Doch wieder schlägt das Gesetz einen Haken: Dieser Passus betreffe nur Betreiber,„wenn sie ihr Geschäftsmodell nicht bereits so ausgerichtet haben oder noch ausrichten, dass sie unter eine Bereichsausnahme des Absatzes 10 passen.“
Diese „Bereichsausnahme“ soll verhindern, dass jeder Kommunikationsdienstleister der Finanzaufsicht unterfällt, weil er nebenbei Klingeltöne, Bildchen oder Computerspiele zum Download anbietet. Daher sind in § 1 Abs. 10 Nr. 11 ZAG solche Zahlungsvorgänge ausgeklammert,
„die über ein Telekommunikations-, ein Digital- oder IT-Gerät ausgeführt werden, an das Waren oder Dienstleistungen geliefert werden und mittels dieses Gerätes genutzt werden sollen“.
Gefährliche Rückausnahme
Es sieht also danach aus, dass Betreiber wie „Second Life”, wenn sie für die Benutzung der virtuellen Dienste „Lindendollar” verlangen, zunächst nicht dem Gesetz als Zahlungsdienstleister unterfallen. Aber was wäre eine Bereichsausnahme ohne eine Rückausnahme? Befreit ist ein Betreiber daher nur, sofern er
„nicht ausschließlich als zwischengeschaltete Stelle zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Lieferanten der Waren und Dienstleistungen tätig ist.“
Dieser Passus könnte es in sich haben: Wenn ein Unternehmen etwa nur als Wechselstube dient, ohne eigene Leistungen zu erbringen, greift die Bereichsausnahme allem Anschein nach nicht. Was gilt etwa, wenn ein Betreiber das Zahlungsmittel anbietet, der Spieler aber im virtuellen Jeansshop eines Dritten zahlt? Üblicherweise gerieren sich Plattformbetreiber aus Haftungsgründen als möglichst neutrale Technologieanbieter, die mit dem Wirken ihrer Kundschaft wenig zu tun haben wollen. Daher ist nicht von vornherein auszuschließen, dass sie nur eine „zwischengeschaltete Stelle“ sind.
Justiziare von Diensteanbietern rund um virtuelle Währungen können sich in der Begründung freilich gut aufmunitionieren. Dort urteilt die Bundesregierung schlicht:
„Die Abrechnung von Leistungen in virtuellen Cyberwelten durch den Betreiber“ werde „so oder so unter die Bereichsausnahme des Absatzes 10 Nr. 11 fallen.“
Zumindest für eine teleologische Argumentation ist dieser Satz sicher hilfreich.